Kann das sein? Gezielte Entführung und Ermordung von Christen auf den Philippinen?

(Open Doors, Kelkheim) – Vor einem Jahr, am 23. Mai 2017, begannen Kämpfer der IS-nahen „Maute-Gruppe“ die Eroberung der philippinischen Stadt Marawi. Die Spuren der Kämpfe, besonders der fünfmonatigen Rückeroberung durch das Militär, prägen heute das Stadtbild. Im Fadenkreuz der Dschihadisten standen insbesondere lokale Christen. Open Doors hat einige von ihnen besucht.

Christen als „Verräter“ hingerichtet

Marawi ist eine Provinzhauptstadt auf der Insel Mindanao und galt als muslimische Vorzeigemetropole in dem christlich geprägten Land. Das Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen verlief weitgehend unproblematisch.

Hauptziel der Angreifer war die Errichtung eines islamischen Kalifats.

Alle Einwohner der Stadt waren dadurch bedroht, doch zur Strategie der Dschihadisten gehörte auch die gezielte Entführung und Ermordung von Christen. Pastor Leo (Name aus Sicherheitsgründen geändert) erinnert sich: „Sie haben mir ins Gesicht gesagt, dass sie mich köpfen werden; aber ich habe ihnen einfach entgegnet, dass mein Leben Gott gehört, ganz gleich was sie mit mir machen. Er hat unser Leben gerettet und meine Familie mit unseren Kindern aus der Hand der Feinde befreit.“

Ayesha (Name aus Sicherheitsgründen geändert), eine lokale Mitarbeiterin von Open Doors, berichtet: „Am ersten Tag der Belagerung waren die Christen das Ziel. Viele wurden damals getötet.“ In einer Situation seien acht aufgefordert worden, zum Islam zu konvertieren. „Als sie sich weigerten, erschoss man sie auf der Stelle und hängte ihnen Schilder um, die sie als ‚Verräter‘ bezeichneten.“

Die größte Herausforderung: Versöhnung

Während der Kämpfe flohen Medienberichten zufolge bis zu 98% der Einwohner aus Marawi. Noch immer leben 50.000 von ihnen in Notunterkünften. 40% der Gebäude sind zerstört. Doch die äußerlichen Verwüstungen sind nur die sichtbaren Folgen der Belagerung. „Wir müssen den Menschen hier helfen, ihre Leben nach dem Krieg wieder neu aufzubauen,“ erläutert Ayesha, die sich in diesem Bereich engagiert. Viele hätten zum Beispiel ihre Arbeitsstellen verloren, doch ohne Arbeit fehle die wirtschaftliche Basis für ein eigenständiges Leben. Gemeinsam mit örtlichen Kirchen und anderen lokalen Partnern umfasst die Hilfsstrategie von Open Doors drei Bereiche: Wiederaufbau, Wiederherstellung und Versöhnung. Besonders liegt Ayesha der letzte Bereich am Herzen: „Wir müssen die örtlichen Christen lehren, wie sie sich mit denen versöhnen können, die sie verletzt haben. Das ist unsere größte Herausforderung […] bei unserer Hilfe zum Wiederaufbau.“

Erleichtert werden dürfte dies durch die Beispiele von Muslimen, die während der Krise Christen bei sich versteckten, sowie die klare Absage vieler islamischer Geistlicher an Gewalt und Extremismus. Islamische Vertreter äußerten sich jedoch gleichzeitig besorgt darüber, dass viele junge Muslime sich zu bewaffneten Gruppen hingezogen fühlten.

Die Philippinen gehören zum erweiterten Kreis der „Länder unter Beobachtung“, die bei der jährlichen Erstellung des Weltverfolgungsindex von Open Doors mit Blick auf die Verfolgung von Christen aus Glaubensgründen erfasst werden.